Zu Besuch bei Eike König

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Eike, wir haben dich in deiner Agentur Hort und Zuhause in Berlin-Kreuzberg besucht. Allein mit den Namen „Hort“ assoziieren wir gleich etwas Geborgenes und Gemeinschaftliches. Wie können wir uns einen Tag in deinem Alltag vorstellen?

Das war auch meine Intention damals, 1994. Umgeben von selbstorganisierten Kinderhorten im Frankfurter Nordend war es an der Zeit einen Hort für kreative grown-up Kids zu gestalten, der sich als Schutz - und Laborraum zwischen Universität und der kalten Businesswelt positioniert.

Mein Alltag selbst hat sich nach 24 Jahren natürlich verändert. Was am Anfang auch als Sozialraum gedacht und gelebt wurde, wird heute, aufgrund der Struktur unseres sehr selbstbestimmten Zusammenarbeitens als Kollektiv, nicht mehr in der Form benötigt. Deshalb bedarf es auch eines Neudenkens der Nutzung. Ich überlege, weil meine Freundin Anne und ich gerade Nachwuchs bekommen, die Flächen zu teilen in Wohn - und Atelierraum.

Einen klassischen Alltag habe ich sowieso noch nie so wirklich gelebt. Das entspricht nicht meiner Persönlichkeit … wird sich aber eventuell noch mit meiner neuen Rolle verändern.

Aber ich bin sehr gerne hier - eigentlich täglich, wenn ich gerade in Berlin bin.
Ein sehr guter Ort der Stille zum Denken und zum Produzieren. Es ist und bleibt auch immer noch ein Schutzraum — so wie anfangs gedacht und entworfen.

My Home is my Castle sagt man so schön kitschig und dein Name bietet eine absolute Steilvorlage. Was macht dich zum König in deiner Wohnung? Was ist dir im Wohnbereich besonders wichtig? Hast du einen Interior-Gegenstand o. ä ., der dir besonders am Herzen ist?

Das kreative Chaos in meinem Büro kann ich in meinen Privaträumen absolut nicht ausstehen. Deshalb ist es zu Hause auch ‚wesentlicher‘, ‚kuratierter‘ und ‚ordentlicher‘. Die Objekte, Möbel, Gebrauchsgegenstände und Kunstwerke erzählen alle für mich eine bestimmte Geschichte aus meinem/unserem gemeinsamen Leben. Eins daraus hervorzuheben würde den Wert der anderen mindern. Ich mag die Mischung aus unterschiedlichen Dingen, die Anne und ich in diesen Raum getragen haben.

Ich persönlich brauche nicht viel Schickes, eigentlich überhaupt keines. Das einzige was ich brauche, und eventuell auch dadurch sammle, ist Raum. Und zwar nach links und rechts, aber auch nach oben.

Und da wir gerne kochen und Freunde zu Besuch haben, ist eine gewisse Gemütlichkeit natürlich wichtig.

Schaut man sich deine Arbeiten an, sind diese plakativ, groß und schon ab und an ein Schlag ins Gesicht. Allein der Grabstein mit der „EGO“-Gravur trifft das Selfie-Herz, aber auch den absoluten Zeitgeist. Allein der Begriff Zeitgeist ist auch schon plakativ – wo siehst du die Trends in Sachen Gestaltung und Grafikdesign? Wer inspiriert dich?

Trends — das Wort kann ich schon nicht mehr ausstehen. Das wäre auch ein wunderbarer Grabstein: In goldenen Lettern TREND auf schwarzem Marmor.
Inspiration ist auch so ein Begriff, der ins Leere führt. Ich habe eine offene Seele mit vielen Interessen und eine gewisse Leidenschaft für kulturelle Produkte — sei es Literatur, Architektur, zeitgenössische Kunst, Theater — aber gleichzeitig interessieren mich neue Technologien, gesellschaftliche Fragen und Strömungen, und die Sprachen und Strategien unterschiedlichster Institutionen, seien es kommerzielle Markenimperien, politische Parteien oder Subkulturen. In allem finde ich Trigger, die mich bewegen und nachdenklich stimmen und verarbeite diese in meinen persönlichen Arbeiten.

Die größte Quelle an Input, Fragestellung und Reflexion finde ich aber bei den mir nahestehenden Menschen und denen, mit denen ich eng zusammenarbeite. Anne, meine Freundin, ist ein nicht einschätz, und daher sehr wertvoller Springbrunnen an Kritik, Fragen und Anregungen. Die Menschen, mit denen ich seit langem im Hort arbeite sind so etwas wir Kuratoren von Wissen und Ideen für mich. Und natürlich der Diskurs mit meinen Studierenden … ich werde für immer JUNG bleiben.

Zu eurem Portfolio gehören Größen von Arte, Bauhaus Dessau und Nike. Ihr habt es bis in die finale Runde des MoMa fürs neue Corporate Design geschafft. Für wen würdest du gern noch arbeiten und warum?

Ich habe eigentlich keine Top-Liste an möglichen Kollaborationen. Ich kann in vielen Anfragen etwas Spannendes und Einzigartiges entdecken und mir natürlich auch vorstellen dabei etwas zu lernen. Von daher könnte ich jetzt nichts nennen. Es kommt wie es kommt und das ist oft auch gut so. Im Moment ist mein berufliches Leben aufgeteilt in 3 Sparten: Hort, Universität und meine freie Arbeit. Wenn wir jetzt eine Familie werden, müsste ich das ganze wohl ein wenig anders organisieren, da dies für mich ins Zentrum meiner Aufmerksamkeit und dadurch Wichtigkeit rücken wird. Diese Freiheit genau hier mein Spotlight zu setzen ist für mich ein großes Glück und ich werde es intensiv erspüren und leben.

Du arbeitest auch als Dozent und bist gefühlt einmal in der Woche für einen Vortrag ausgeflogen, hast du da überhaupt Freizeit und gibt es Lieblingsorte in Berlin, die du gern aufsuchst?

Ich habe viel freie Zeit. Das sieht alles kompakter im kuratiertem Stream aus. Ich kombiniere oft auch meine Vortragsreisen mit meinem Bedürfnis die Welt zu sehen und verbringe häufig noch ein paar Tage/Wochen länger vor Ort, um einzutauchen und um meine eigenen Batterien wieder aufzuladen. Vorträge und Workshops werde ich aber in Zukunft weniger geben, außer ich kann gemeinsam mit meiner ‚Familie‘ reisen :)

Lieblingsorte? Berlin ist mein Lieblingsort. Mit all seinen ganz eigenen Mikrokulturen. Wenn ich jetzt meine GPS Daten preisgebe, habe ich Angst, dass da dann zu viele Menschen auftauchen, die ich kenne oder die mich kennen. Ich liebe auch die Anonymität und die Freiheit, die diese Stadt mir bietet. Ich war schon in vielen Metropolen dieser Welt. Alle haben ihren eigenen Charme … aber bisher gab es keine in der ich lieber wohnen würde.

Last but not least: Ehrliches Statement: Elfmeter, ja oder nein?
Und wo finden wir dich bei der Fußball-WM?

Den Videobeweis finde ich kacke. Die Technologisierung von Entscheidungen finde ich einen großen Verlust an Menschlichkeit und der einhergehenden Dramatik. Es gibt nichts aufregenderes als eine Fehlentscheidung. Junge junge, was das für Energien freisetzt. I love it.

Fußball WM? Naja, so richtig ziehen tut mich das Thema nicht mehr. Früher haben wir auf der Dachterasse im HORT die Spiele gezeigt und es waren immer FreundInnen und FreundInnen von denen vor Ort. Wir haben gegrillt und das Zusammenkommen zelebriert. Heute macht das jeder für sich auf seine Art. Eventuell haben wir 2 - 3 Tage, die so stattfinden werden. Aber ansonsten kann es auch passieren, dass ich irgendwo auf dem Heimweg am Späti hängenbleibe, weil dort gerade draußen auf dem Gehweg mit ein paar Bierkästen zum Sitzen ein Spiel gestreamt wird. Dieses spontane Zusammenkommen unterschiedlichster Soziokulturen ist ein hervorragender Moment des Friedens.

Interview: Maria-Silva Villbrandt / Bilder: Jules Villbrandt

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